Ein Höhendiagramm wie am Ende der Seite abgebildet, hat Seltenheitswert. Nach dem die beiden großen Anstiege zwischen Cape Reinga und dem Te Paki Stream geschafft sind, bleibt die Strecke auf den folgenden 80 Kilometern auf dem Ninety Mile Beach exakt auf Meereshöhe mit nicht einem winzigen Anstieg. Wer Pech hat, kämpft aber mit Gegenwind, dem man am Strand ungeschützt ausgeliefert ist. Bei den überwiegend vorherrschenden Westwinden ist bei einer Fahrtrichtung von Norden nach Süden die Wahrscheinlichkeit für Rückenwind höher. Noch wichtiger als das Studium der Wetterprognose ist die Beachtung der Tidenzeiten. Nur bei Ebbe kann der Strand befahren werden. Wenn sich das Meer zurückzieht, ist der Strand vom Salzwasser gehärtet und es lässt sich wunderbar radeln. Wo die Flut nicht hinreicht, ist Schieben durch Tiefsand angesagt; teilweise reicht das Wasser bei Flut auch bis zur Uferkante und lässt keinen Fluchtraum. Es ist mithin ratsam, rechtzeitig einen der wenigen Zeltstellen mit Süßwasser anzusteuern.
Von Cape Reinga bis zum 161 Kilometer südlich gelegenen Hokiangi Harbour radeln wir auf dem Far North Cycleway. Nach Radwegeschildern sucht man allerdings vergeblich auf dieser Strecke.
Herzstück des Far North Cycleway ist der Ninety Mile Beach, eine Fahrt über den Strand ist ein besonderes Erlebnis, das man unbedingt mitnehmen sollte. In der offiziellen Beschreibung des Radweges wird wegen der vorherrschenden Westwinde eine Befahrung von Norden nach Süden empfohlen.
Ab Cape Reinga radeln wir 15 Kilometer über den State Highway 1 in Richtung Süden bis zur Rangerstation und Parkplatz Te Paki am Te Paki Stream. Den Abschnitt auf dem Highway kennen wir bereits von der Hinfahrt, zwei lange, steile Anstiege auf 160 und 170 Meter Höhe sind zu radeln und dann geht es endlich hinunter zum Te Paki Stream.
Wir biegen am Parkplatz Te Paki in eine Schotterpiste ein und folgen dem Te Paki Stream in leichtem Auf und Ab zur Küste. Anfangs radeln wir durch Weideland, dann tauchen große Sanddünen auf und heben sich herrlich vom umgebenden Grün ab. Nach vier Kilometern ist ein Parkplatz erreicht, nur Autos nur mit Allradantrieb kommen jetzt noch weiter. Der Weg verläuft nämlich nun durch das Flussbett des Te Paki, das man bei Ebbe gut passieren kann. Auf dem sandigen Untergrund des Baches sinken die Reifen des Fahrrades so tief ein, dass an Fahren nicht zu denken und Schieben angesagt ist. Ab und zu haben sich bei Ebbe Sandbänke gebildet, auf deren hartem Sand gefahren werden kann. Unmittelbar entlang am Nordufer des Te Paki Stream erheben sich steil die hohen, gelben Sanddünen - eine echte kleine Flussoase. Bis auf das Zwischternn der zahlreichen Vögel ist es absolut ruhig hier, wir genießen die zauberhafte Stimmung..
3,5 Kilometer schieben und radeln wir durch das Flussbett, bis schließlich der weite Sandstrand des Ninety Mile Beach erreicht ist. Während 80 Kilometern fahren wir nun auf dem Sandstrand bis Ahipara. Es sind unbedingt die Tidenzeiten zu beachten, die am DoC Camping Tapotupotu Bay ausgehängt und auch im Internet zu finden sind. Bei Ebbe ist der sandige Untergrund so hart, dass man bequem voran kommt, bei Flut ist der Strand nicht befahrbar.
Nach einigen Kilometern sehen wir im Meer das Matapia Island mit seinem charakteristischen großen Loch in einem Felsen liegen. Hin und wieder queren wir kleine Bäche, die problemlos mit Schwung durchfahren werden können.
Nach 42 Kilometern ab Cape Reinga umfahren wir ein kleines Kap mit der vorgelagerten Insel Te Wakatehaua, zu der man bei Ebbe trockenen Fußes gelangt. Unmittelbar südlich der Insel liegt das Maunganui Bluff Reserve mit einem sehr schönen, einfachen Zeltplatz (Toiletten und Süßwasser). Am Strand gibt es kein Hinweisschild zum Zeltplatz! Von der Zeltstelle kann man über eine ca. 10 Kilometer lange Piste zum SH1 gelangen.
Im weiteren Verlauf ist die Küstenlinie fast kerzengerade und überwiegend leicht in Richtung Südosten ausgerichtet. Bei den vorherrschenden Westwinden bewährt sich daher die Empfehlung, den Far North Cycle Way in Richtung Süden zu fahren, dann kommt in der Regel der Wind seitwärts von hinten.
Bis zum Ende des Ninety Mile Beach in Ahipara gibt es nun keine Veränderung des Landschaftsbildes, rechter Hand liegt das Meer und linker Hand ziehen sich endlos die Dünen. Zum Strand hin bilden sie einen meterhohen Absatz, der nur selten von Bächen oder Durchfahrten für PKW unterbrochen wird. Manchmal begegnen uns Jeeps oder auch geländegängige Touristenbusse, deren Insassen den unerschrockenen "Wüstenradler" gebührend bewundern.
71 Kilometer ab Cape Reinga wird die Hukatere Lodge und der einfache Zeltplatz Utea Park erreicht (siehe auch Streckenübersicht) und bei Kilometer 89 ab Cape Reinga liegt der 90 Mile Beach Holiday Park.
Nach weiteren 13 Kilometern endet die Fahrt über den Strand vor dem kleinen Ort Ahipara. Wir verlassen gleich bei den ersten Häusern den Strand (kein Hinweisschild) und biegen, nach dem wir etwa hundert Meter durch weichen Sand geschoben haben, in die Kaka Street ein, die nach kurzer Fahrt in die Takahe Road mündet. Rechts geht es ins Zentrum und links wird nach 200 Metern der sehr schöne Ahipara Holiday Park erreicht. Der wie eine Oase wirkende Campingplatz eignet sich ideal für eine Verschnaufpause nach dem Besuch des Cape Reinga und dem Ritt über den Ninety Mile Beach. In dem kleinen Ahipara gibt es nur einen Dairy, der jedoch über ein ausreichendes Lebensmittelangebot zur Versorgung verfügt.
Unterkünfte entlang der Strecke vom Cape Reina nach Ahipara sind in der Streckenübersicht beschrieben.
Schon um 5.30 Uhr kriechen wir aus dem Zelt. Wir haben unseren Wecker auf diese unchristliche Uhrzeit gestellt, um für unsere Tour entlang des 90-Mile-Beach möglichst optimal die Ebbe-Zeit nutzen zu können. Die Luft ist noch kühl und das Gras feucht, die Sonne bricht durch den Dunst über dem Meer. Es wird ein warmer Sommertag werden.
Um 7.00 Uhr strampeln wir bereits die zwei Kilometer lange Schotterpiste vom DoC-Campingsplatz Tapotupotu zur Teerstraße hoch – 170 Höhenmeter sind mit 10 bis 14 % Steigung zu überwinden. Gut ausgeruht ist das am frühen Morgen kein wirkliches Problem. Über den SH 1 sind es dann noch 13 Kilometer bis zur Abzweigung zum Te Paki Stream. Die zahlreichen Hügel, die wir vor drei Tagen am späten Nachmittag bei starkem Gegenwind mit letzter Kraft hochgekrochen sind, erweisen sich nun im wunderbaren Morgenlicht als ein wahres Vergnügen.
Rasch ist der Abzweig vom Highway erreicht, wir kurbeln über eine Schotterpiste zum Te Paki Stream. Dort endet die Piste. Die leuchtenden Farben der Flussoase begeistern uns. Unmittelbar neben dem Fluss erheben sich große goldgelbene Sanddünen. Wir schieben die Räder durch das lauwarme Wasser des träge fließenden Stream Richtung Meer, der Bach fungiert hier gleichzeitig als Weg, und genießen die Einsamkeit. Leider soll es hier auch einigen Autoverkehr geben, wenn die Neuseeländer mit ihren 4WD Cars Sport treiben. Sogar die Ausflugsbusse fahren durch den Te Paki.
Am Meer hüllt die starke Brandung den unendlich langen Strand in leichten Nebel, die Luft schmeckt salzig. In der Ferne verschmelzen Meer und Strand im Dunst. Bis auf das gleichmäßige Rollen der Brandung ist es absolut still. Kein Auto, kein Hügel, keine Kurve – einfach nur flach geradeaus. Die Einsamkeit und Gleichförmigkeit der Landschaft empfinden wir nicht als langweilig. Es hat eher etwas Meditatives, völlig entspannt mit leichtem Rückenwind den menschenleeren Strand entlang zu rollen, die Gedanken schweifen zu lassen. Wir fühlen uns frei.
Ähnlich mögen dies die Wanderer erleben, die am Cape Reinga den 3.030 Kilometer langen Weitwanderweg „Te Araroha“ durch ganz Neuseeland beginnen und über den 90-Mile-Beach die ersten Etappen laufen. Wir sehen ein paar der einsamen Gestalten, wie Beduinen den Körper vollständig umhüllt als Schutz gegen die Sonne und den austrocknenden Wind.
Gegen Mittag begegnen uns auch zwei geländegängige Ausflugsbusse und einige wenige Jeeps, die Richtung Norden zum Cape unterwegs sind. Sie sausen über den Strand. Das Erlebnis der Landschaft reduziert sich auf einen kurzen Fotostopp, bei dem auch wir als „Sehenswürdigkeit“ abgelichtet werden. Die Bustouristen tun uns mit ihrer wenigen Zeit leid.
Nachmittags beginnt die Flut zu steigen – Zeit, sich einen Platz zum Übernachten zu suchen. Wir steuern den Campground „The Bluff“ an und bauen auf der großen Wiese inmitten der Dünen unser Zelt auf. Der Wassertank des Campgrounds ist wegen eines defekten Wasserhahns leer, aber es gibt Wasser in einem ein Kilometer entfernten Bach. Abends versinkt die Sonne blutrot-kitschig im Meer, danach funkelt ein unglaublich schöner Sternenhimmel mit der Milchstraße in ihrer ganzen Pracht über uns. Still sitzen wir vor dem Zelt und genießen den Augenblick – womit haben wir dieses Glück verdient?
Spät am Abend schlagen noch zwei Wanderer ihr Zelt auf, sonst sind wir alleine hier.